Kennst du das Gefühl, wenn eine ganze Region vor Vorfreude vibriert und alle wie auf heißen Kohlen sitzen, bis endlich der große Moment kommt? So fühlt es sich an, wenn im Allgäu die Zeit der Viehscheid ansteht. Ein Brauch, so ursprünglich und faszinierend, dass er dich ganz sicher in seinen Bann ziehen wird. Ich bin Journalistin, gebürtige Allgäuerin und habe schon einige Viehscheiden hautnah miterlebt – vom lauten Glockengebimmel, das dir in Mark und Bein fährt, bis hin zu feiernden Einheimischen und Besuchern, die sich voller Leidenschaft in den Trubel stürzen. In diesem Artikel nehme ich dich mit auf eine Reise zu dieser ganz besonderen Tradition und zeige dir, warum die Viehscheid nicht nur für uns Einheimische ein absolutes Muss ist.


Der Zauber einer jahrhundertealten Tradition

Die Viehscheid – das ist weit mehr als nur der Moment, in dem die Rinder von den Bergweiden zurück ins Tal getrieben werden. Sie ist der symbolische Abschluss eines Alpsommers, der oft so idyllisch in unseren Köpfen verankert ist: Grüne Wiesen, strahlender Sonnenschein, glückliche Kühe, die in luftigen Höhen grasen und klares Quellwasser trinken. Doch hinter dieser Postkartenidylle steckt eine Menge Arbeit, Verantwortung und natürlich eine große Portion Herzblut von den Sennerinnen und Sennern, die den ganzen Sommer über auf den Alphütten leben und sich um die Tiere kümmern.

Was macht die Viehscheid so besonders?

  • Einzigartige Atmosphäre: Über Wochen fiebern Einheimische und Gäste darauf hin. Selbst in den kleinsten Dörfern des Allgäus spürst du eine Aufbruchstimmung, die fast schon magisch wirkt.
  • Tradition trifft Moderne: Während die Tiere mit ihren kunstvoll geschmückten Kränzen zurückkehren, stehen die Menschen an den Straßen und machen jede Viehscheid zu einer Art Volksfest – Blasmusik, bunte Trachten und duftendes Allgäuer Essen inklusive.
  • Symbol für Regionalität: Die Viehscheid erinnert uns daran, wie wertvoll die Natur ist und wie eng Mensch und Tier miteinander verbunden sind. Gerade in einer Zeit, in der alles immer schneller wird und wir oft in urbanen Strukturen leben, ist das Allgäu mit seinem Brauchtum ein Ruhepol, der uns wieder erdet.

Meine ganz persönliche Viehscheid-Geschichte

Ich werde nie vergessen, wie ich als Kind das erste Mal um vier Uhr morgens von den Glocken geweckt wurde. Damals stand ich mit meiner Familie am Wegrand, den Schal fest um den Hals geschlungen, weil es trotz Spätsommer schon ziemlich frisch war. Plötzlich tauchten aus dem Morgennebel die ersten Kühe auf. Die großen, glänzenden Glocken hingen an ihren Hälsen und waren mit bunten Bändern verziert. Über den Hörnern trugen manche Rinder aufwendig gesteckte Kronen aus Tannenzweigen und Blumen – ein Anblick, der mich damals wie heute tief berührt.

Wenn du ein Faible für Fotografie hast, wirst du bei der Viehscheid praktisch im Paradies sein. Mit den Bergen im Hintergrund und dem oft goldenen Licht des beginnenden Tages kannst du fantastische Aufnahmen machen. Allerdings rate ich dir, dich nicht blindlings ins Getümmel zu stürzen. Je näher die Kühe kommen, desto lauter wird das Gebimmel, und wenn du nicht aufpasst, kann es ganz schön turbulent werden. Die Tiere werden in den Stall oder auf Sammelplätze getrieben und wechseln manchmal recht impulsiv die Richtung – da ist Vorsicht geboten. Als Reporterin habe ich schon manch hektisches Manöver gesehen, wenn plötzlich alle Kameraleute und Fotografen gleichzeitig das beste Bild ergattern wollten.


Das Herzstück der Viehscheid: Die Kranzkuh und ihre Bedeutung

Ein besonders wichtiger Moment bei jeder Viehscheid ist die Präsentation der „Kranzkuh“. Als Kranzkuh wird traditionell ein Tier geschmückt, wenn auf der Alpe im vergangenen Sommer alles gut verlaufen ist – sprich: kein Unglück, keine schweren Verletzungen oder gar Todesfälle bei Mensch oder Tier. Dieser Brauch ist nicht nur ein Zeichen der Dankbarkeit, sondern auch ein Symbol dafür, dass man mit einer gehörigen Portion Respekt in die Berge geht.

Wenn ich mit den Sennerinnen und Sennern spreche, dann spüre ich immer wieder diesen Stolz, den das Schmücken einer Kranzkuh mit sich bringt. Schon am Vorabend der Viehscheid herrscht in den Hütten Hochbetrieb: Die Kränze werden aus Tannen- und Fichtenzweigen gebunden, Blumen und bunte Bänder werden sorgfältig arrangiert, sodass der Kopfschmuck der Kuh am nächsten Tag perfekt sitzt. Oft sind es die ältesten Sennerinnen oder erfahrensten Senner, die diese kunstvolle Aufgabe übernehmen – so wird das Wissen und Handwerk von Generation zu Generation weitergegeben.


So bereitest du dich optimal auf deine Viehscheid-Erfahrung vor

  1. Wann und wo?
    Die Viehscheid findet im Allgäu in der Regel im September statt. Die genauen Termine sind von Ort zu Ort unterschiedlich. Meist beginnt die Scheid-Saison um den 10. September herum und zieht sich bis Ende des Monats. Willst du möglichst viele Viehscheiden erleben, lohnt es sich, einen Blick auf die Kalender der einzelnen Gemeinden zu werfen.
  2. Die richtige Kleidung
    Selbst wenn tagsüber die Sonne lacht und angenehme Temperaturen herrschen, können die Morgenstunden ziemlich kühl sein. Pack dir also am besten eine warme Jacke, einen Schal und wetterfeste Schuhe ein. Wenn du es ganz traditionell magst, kannst du dich natürlich auch in Allgäuer Tracht werfen. Lederhosen und Dirndl sind gern gesehen, aber kein Muss.
  3. Verpflegung vor Ort
    Keine Viehscheid ohne zünftiges Essen und Trinken. Auf den Festplätzen findest du alles, was dein Herz begehrt: Von Allgäuer Kässpatzen und frisch gebackenem Brot über deftige Würste bis hin zu süßen Leckereien wie Auszogne oder Striezel. Wenn du Veganer oder Vegetarier bist, findest du in den letzten Jahren auch immer mehr pflanzliche Alternativen – das Allgäu passt sich an die heutigen Ernährungstrends an.
  4. Timing ist alles
    Wenn du den Einzug der Kühe aus nächster Nähe erleben möchtest, solltest du früh kommen. Gerade an den Hauptterminen stehen oft Hunderte Menschen am Wegesrand. Wenn du in der ersten Reihe stehen willst, bist du gut damit beraten, schon im Morgengrauen da zu sein – dann kannst du hautnah miterleben, wie die Kühe aus dem Nebel auftauchen. Später, auf dem Festplatz, ist oft ein großes Beisammensein mit Musik und Tanz, also plane genug Zeit ein, um alles genießen zu können.
  5. Die richtige Kameraausrüstung
    Für viele gehört es dazu, die Viehscheid in Fotos oder Videos festzuhalten. Ein gutes Zoom-Objektiv ist hier Gold wert, vor allem wenn du unvergessliche Nahaufnahmen von den Rindern machen möchtest. Denke aber daran: Blitzlicht kann die Tiere erschrecken. Also lieber den Moment einfangen, wie er ist, und auf künstliches Licht verzichten.

Fazit

Die Viehscheid im Allgäu ist ein Fest für alle Sinne: Du siehst die majestätischen Berge, hörst das ohrenbetäubende Läuten der Glocken, riechst das frische Gras, schmeckst die Allgäuer Köstlichkeiten und spürst die Begeisterung der Menschen, die dir rundherum begegnen. Für mich als Journalistin ist es jedes Jahr aufs Neue ein Highlight, denn hier erlebe ich Heimatliebe und Brauchtum hautnah. Gleichzeitig fasziniert mich, wie sich Tradition und moderne Einflüsse gegenseitig befruchten: Da stehen junge Leute in Lederhosen oder Dirndl neben Touristen aus aller Welt und feiern gemeinsam eine Zeit, die für unsere Region so bedeutungsvoll ist.

Wenn du die Möglichkeit hast, einmal an einer Viehscheid teilzunehmen, dann ergreif sie unbedingt. Nimm dir ein paar Tage Zeit, genieß den Anblick der geschmückten Kranzkuh, lass dich von der Volksmusik mitreißen und probiere regionale Schmankerl. Du wirst sehen: Wenn am Ende des Tages die Sonne langsam untergeht und nur noch ein leises Bimmeln aus den Ställen zu hören ist, dann hast du einen ganz neuen Blick auf das Allgäu. Eine Mischung aus tiefer Dankbarkeit für das Erlebte und der Vorfreude, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.


FAQ – Deine Fragen, meine Antworten

1. Kann ich auch spontan zur Viehscheid kommen, oder sollte ich im Voraus planen?
Du kannst natürlich auch spontan kommen, allerdings sind manche Viehscheiden (zum Beispiel in Bad Hindelang, Oberstdorf oder Immenstadt) sehr gut besucht. Unterkünfte sind dann oft lange im Voraus ausgebucht. Wenn du sicher sein möchtest, in unmittelbarer Nähe zum Festplatz zu übernachten, solltest du dich frühzeitig kümmern.

2. Muss ich Eintritt zahlen, um die Viehscheid zu sehen?
Nein, der Zugang zu den Veranstaltungen ist normalerweise kostenlos. Du brauchst auch keine Tickets für den Festplatz. Lediglich für Essen, Getränke und eventuell Parkgebühren solltest du etwas Geld einplanen.

3. Sind Hunde bei der Viehscheid erlaubt?
Grundsätzlich ist es nicht verboten, Hunde mitzubringen. Allerdings ist es oft stressig für die Tiere, weil es laut ist und viele Menschen zusammenkommen. Wenn dein Hund lärm- und menschenansammlungsresistent ist und du ihn gut im Griff hast, kannst du ihn mitnehmen. Andernfalls würde ich dir raten, ihn lieber zu Hause zu lassen.

4. Was passiert mit den Kühen nach der Viehscheid?
Die meisten Kühe werden an ihre Besitzer übergeben und entweder auf den heimischen Bauernhof gebracht oder weiterverkauft. Oft kommt es zu richtigen „Handelsmärkten“, bei denen Händler und Bauern die Qualität der Tiere begutachten. Die Sennerinnen und Senner dürfen nach einem langen Alpsommer dann auch endlich wieder nach Hause – mit dem guten Gefühl, ihre Arbeit erfolgreich beendet zu haben.

5. Kann ich auch bei den Vorbereitungen helfen?
Wenn du jemanden auf einer Alpe kennst oder einen persönlichen Kontakt hast, ist es manchmal möglich, beim Kränzebinden oder anderen kleineren Aufgaben zu helfen. Viele Betriebe freuen sich sogar über helfende Hände. Frag einfach freundlich nach. Ansonsten kannst du offiziell natürlich nicht einfach „mitmachen“, weil die meisten Abläufe genau abgestimmt sind und man sich sehr gut auskennen muss.

Von Jessica

Hi, ich bin – Redakteurin, Glitzersammlerin, Achterbahn-Fan und kulturverliebte Geschichtenjägerin. Schon als Kind habe ich es geliebt, über Jahrmärkte zu schlendern, Zuckerwatte in der einen und ein Los mit Nieten in der anderen Hand. Heute schreibe ich für Volksfestwelt über alles, was das Leben bunter, lauter und irgendwie magischer macht. Mein erster Karneval war nicht in Köln, sondern 2011 beim Karneval der Kulturen in Berlin – zwei Wochen, nachdem ich in die Stadt gezogen war. Ich war überwältigt. Von der Vielfalt, der Lebensfreude, den Farben, den Geschichten. Seitdem ist meine Leidenschaft für Volksfeste, Bräuche und die kleinen, charmanten Eigenheiten regionaler Kultur nur noch gewachsen. Ob ich nun in Rottweil die Fasnet-Masken bestaune, in Mainz Konfetti sammle oder in Südfrankreich bei einem Winzerfest tanze – ich bin gerne mittendrin. Und ich nehme dich mit. In meinen Artikeln erzähle ich dir von Traditionen mit Herz, kuriosen Bräuchen, warmen Begegnungen und manchmal auch von Dingen, die ich kritisch hinterfrage. Immer ehrlich, immer mit Neugier – und nie ohne ein bisschen Staunen. Was mich ausmacht? Ich liebe es, Menschen zu begegnen, die ihre Heimat, ihre Kultur und ihre Feste feiern – egal ob mit Kuhglocke oder Currywurst. Ich frage nach, schaue hinter die Kulissen und schreibe so, dass du Lust bekommst, selbst loszuziehen. Mein Lieblingsplatz auf dem Volksfest? Zwischen Lichterketten, Riesenrad und einer alten Drehorgel. Mein Motto: Kultur beginnt da, wo Menschen gemeinsam feiern.