Vom Bauernfest zum Vergnügungspark – das Cannstatter Volksfest im Wandel der Zeit

Zwischen Ackerbau und Achterbahn oder vom Bauernfest zum Vergnügungspark: Wie sich das Cannstatter Volksfest vom Erntedankfest zur modernen Feier mit Fahrgeschäften, Bierzelten und auch dem Landwirtschaftlichem Hauptfest das alle 4 Jahre stattfindet wandelte.

Wenn man heute über den Cannstatter Wasen schlendert, ist es ein wahres Lichtermeer: gigantische Fahrgeschäfte, moderne Riesenräder und Festzelte, die Tausende Menschen fassen. Doch kaum jemand denkt daran, dass dieses Volksfest einmal als landwirtschaftliches Erntedankfest begann. Der Wandel vom bäuerlichen Fest zum modernen Vergnügungspark ist ein spannender Spiegel der Zeitgeschichte.

Die ersten Jahrzehnte: Tradition und Landwirtschaft

1818, bei der Premiere des Cannstatter Volksfests, standen Kühe, Pferde und landwirtschaftliche Geräte im Mittelpunkt. Das Fest war eine Bühne für den Fortschritt in der Landwirtschaft. Bauern konnten ihre Erträge und Züchtungen präsentieren, während die Bevölkerung feierte und dankbar auf eine gute Ernte blickte.

Doch schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Schausteller, Musiker und Wirte hinzu. Die Mischung aus Landwirtschaft und Unterhaltung machte das Fest für immer mehr Menschen attraktiv.

Das 19. Jahrhundert: Schausteller erobern den Wasen

Im Laufe der Jahrzehnte veränderte sich die Ausrichtung des Volksfests. Mit der Industrialisierung zogen neue Attraktionen und Sensationen die Besucher an. Karussells, Schaubuden und erste mechanische Fahrgeschäfte wurden aufgebaut.

Während die Landwirtschaftsausstellung noch eine wichtige Rolle spielte, gewannen die Vergnügungsangebote stetig an Bedeutung. Für viele Familien aus Stuttgart und Umgebung war der Wasen das Highlight des Jahres – eine Mischung aus Markt, Fest und Abenteuer.

Zwischen den Kriegen: Das Volksfest als Ort der Flucht

Auch in schweren Zeiten, etwa während der beiden Weltkriege, wurde das Volksfest nur kurzzeitig unterbrochen. Gerade in der Nachkriegszeit bot es vielen Menschen Ablenkung und Hoffnung.

Die Landwirtschaft rückte immer mehr in den Hintergrund, während Schaustellerbetriebe und Festzelte zum Hauptanziehungspunkt wurden. Besonders die riesigen Bierzelte entwickelten sich zum Markenzeichen des Volksfests, ganz im Stil der bayerischen Nachbarn in München – nur eben schwäbisch geprägt.

Der Boom der Fahrgeschäfte

Ab den 1950er-Jahren erlebte der Wasen einen regelrechten Boom. Immer größere und spektakulärere Fahrgeschäfte prägten das Bild: Riesenräder, Achterbahnen, Geisterbahnen und Hightech-Karussells lockten Besucher. Der Cannstatter Wasen wurde zur Spielwiese der Schaustellerkunst.

Für viele Familien war es ein Highlight, die neuesten Fahrgeschäfte zu testen. Gleichzeitig wurden die Festzelte größer und moderner. Die Mischung aus Nervenkitzel und Geselligkeit machte den Wasen zu einem Magneten für Millionen Besucher.

Heute: Ein Volksfest mit zwei Gesichtern

Heute ist der Cannstatter Wasen ein Spagat zwischen Tradition und Moderne. Einerseits dominieren Fahrgeschäfte, Party und Bierzelte. Andererseits erinnert die Fruchtsäule an die landwirtschaftlichen Ursprünge. Auch der Volksfestumzug mit Trachten- und Musikgruppen schlägt die Brücke zur Vergangenheit. Und nicht zuletzt zeigt das Landwirtschaftliche Hauptfest, das alle vier Jahre parallel zum Wasen stattfindet, wie eng die Geschichte des Volksfests mit Landwirtschaft verbunden bleibt.

Der Unterschied zum Oktoberfest

Oft wird der Wasen mit dem Oktoberfest in München verglichen. Tatsächlich sind beide Volksfeste ähnlich groß und ziehen internationale Gäste an. Doch der Cannstatter Wasen hat eine andere Seele: Er ist stärker mit dem Erntedank verbunden, weniger touristisch überlaufen und gilt als familiärer.

Dieser Charakter verdankt sich auch dem Wandel, den das Fest in den letzten 200 Jahren durchlaufen hat. Es ist nicht nur Party, sondern auch Geschichte, Brauchtum und regionale Identität.


Termine & Öffnungszeiten Cannstatter Volksfest 2025 (178. Wasen)

📍 Ort: Cannstatter Wasen, Stuttgart-Bad Cannstatt
📅 Termin: 26. September bis 12. Oktober 2025
🕐 Öffnungszeiten:

  • Montag – Donnerstag: 12:00 – 23:00 Uhr
  • Freitag: 12:00 – 24:00 Uhr
  • Samstag: 11:00 – 24:00 Uhr
  • Sonntag & Feiertage: 11:00 – 23:00 Uhr

👉 Besonderheiten: Am Eröffnungstag (26. September) offizieller Fassanstich. Großer Volksfestumzug am ersten Sonntag.

Für dieses Jahr zwar zu spät doch für das nächste Jahr solltest du dir unbedingt in Stuttgart das Lichterfest am Killesberg einplanen: Lichterfest Stuttgart

Von Jessica

Hi, ich bin – Redakteurin, Glitzersammlerin, Achterbahn-Fan und kulturverliebte Geschichtenjägerin. Schon als Kind habe ich es geliebt, über Jahrmärkte zu schlendern, Zuckerwatte in der einen und ein Los mit Nieten in der anderen Hand. Heute schreibe ich für Volksfestwelt über alles, was das Leben bunter, lauter und irgendwie magischer macht. Mein erster Karneval war nicht in Köln, sondern 2011 beim Karneval der Kulturen in Berlin – zwei Wochen, nachdem ich in die Stadt gezogen war. Ich war überwältigt. Von der Vielfalt, der Lebensfreude, den Farben, den Geschichten. Seitdem ist meine Leidenschaft für Volksfeste, Bräuche und die kleinen, charmanten Eigenheiten regionaler Kultur nur noch gewachsen. Ob ich nun in Rottweil die Fasnet-Masken bestaune, in Mainz Konfetti sammle oder in Südfrankreich bei einem Winzerfest tanze – ich bin gerne mittendrin. Und ich nehme dich mit. In meinen Artikeln erzähle ich dir von Traditionen mit Herz, kuriosen Bräuchen, warmen Begegnungen und manchmal auch von Dingen, die ich kritisch hinterfrage. Immer ehrlich, immer mit Neugier – und nie ohne ein bisschen Staunen. Was mich ausmacht? Ich liebe es, Menschen zu begegnen, die ihre Heimat, ihre Kultur und ihre Feste feiern – egal ob mit Kuhglocke oder Currywurst. Ich frage nach, schaue hinter die Kulissen und schreibe so, dass du Lust bekommst, selbst loszuziehen. Mein Lieblingsplatz auf dem Volksfest? Zwischen Lichterketten, Riesenrad und einer alten Drehorgel. Mein Motto: Kultur beginnt da, wo Menschen gemeinsam feiern.